Vanillin = Vanille?

Häufig wird Vanillin der Vanille gleichgesetzt bzw. beides miteinander verwechselt.
1. Bei Vanille handelt es sich um eine unreif geerntete, fermentierte und getrocknete Kapsel-Frucht der Orchideen-Gattung Vanilla. Vanille enthält mehr als 300 verschiedene Aromastoffe.
2. Vanillin ist eine isolierte chemische Verbindung (C8H8O3 / CAS 121-33-5).

Vanillin ist der Hauptaromastoffe der Vanille. Gute Vanillekapseln enthalten mehr als 2 % Vanillin. Um Vanilleextrakte zu beurteilen wurden die sogenannten Verhältniszahlen zwischen den Verbindungen Vanillin, 4-Hydroxybenzaldehyd, 4-Hydroxybenzoesäure und Vanillinsäure ermittelt [1]. Hierbei ist zu beachten, dass die Verhältniszahlen für Vanilleextrakte, nicht für Lebensmittel abgeleitet wurden.

Der Nachweis von Vanillin in einem Produkt/Lebensmittel darf nicht mit Vanille gleichgesetzt werden. Vanillin kann über verschiedene Wege in das Produkt gelangen:
1. durch den Zusatz von Vanille,
2. durch den Zusatz synthetischen, biosynthetischen oder natürlichen Vanillins und
3. durch eine andere vanillinhaltige Zutat. Dieser Weg des Vanillineintrags wird zumeist übersehen. Dabei ist Vanillin in unserer Welt weit verbreitet nachzuweisen [2]. So enthalten Kakaopulver und Erzeugnisse daraus wie die Schokolade von Natur aus Vanillin [3-5]. Der Nachweis von Vanillin in Schokolade lässt somit nicht automatisch die Schlussfolgerung zu, dass Vanille oder Vanillin zugesetzt wurde. Vergleichbar wäre der Nachweis von Äpfelsäure und die Schlussfolgerung auf Apfel oder der Nachweis von Coffein und die Schlussfolgerung auf Kaffee.

Vanillenachweis mittels klassischer Verhältniszahlen
Nicht nur Vanillin, sondern auch 4-Hydroxybenzaldehyd, 4-Hydroxybenzoesäure und Vanillinsäure kommen in der Natur weitverbreitet vor. Diese werden - ebenso wie Vanillin - im Phenylpropanoid-Stoffwechsel gebildet [6]. Somit können die Verhältniszahlen in Lebensmitteln aufgrund unterschiedlicher Zutaten verschoben sein. Wie eingangs beschrieben, wurden diese Verhältniszahlen lediglich zur Beurteilung von Vanilleextrakten gebildet.
Weiterhin ist anzumerken, dass alle Stoffe der Verhältniszahlen einfache und somit günstige Chemikalien sind, so dass diese mit Leichtigkeit Produkten zugesetzt und die Verhältniszahlen eingestellt werden können.

Da die Analyten der klassischen Verhältniszahlen in der Natur weit verbreitet sind, stellen diese keine selektiven Marker für Vanille dar und sind insofern nicht geeignet - insbesondere in komplexen Lebensmitteln - die Authentizität von Vanille zu beweisen. Somit können Produkte, die rechnerisch zwar korrekte Verhältniszahlen aufweisen dennoch Fremdvanillin enthalten.
Hierzu ein Beispiel aus der Praxis: eine Schokolade, welche nachweislich nicht mit Vanille oder Vanillin aromatisiert wurde, enthält 1,3 mg/kg 4-Hydroxybenzaldehyd und 0,2 mg/kg Vanillin. Diese Substanzen entstammen hier der Kakaomasse. Werden dieser Schokolade 20 mg/kg Vanillin zugegeben liegt der rechnerische Quotient von Vanillin über 4-Hydroxybenzaldehyd bei 15. Dieser Wert entspricht gemäß Literatur [1] dem mittleren Soll für authentische Vanille. Folglich können bei Schokoladenmatrizes, wie auch anderen Lebensmitteln/Zutaten die endogen 4-Hydroxybenzaldehyd enthalten, anhand der klassischen Verhältniszahlen geringe bis moderate Zusätze von Fremdvanillin nie nachgewiesen werden. In dem aufgeführtem Beispiel wären auf Basis der klassischen Verhältniszahlen erst Fremdvanillinzusätze ab 40 mg/kg nachweisbar. Zudem können die Verhältniszahlen auch leicht durch Zugabe von ubiquitär und kostengünstig verfügbarem 4-Hydroxybenzaldehyd etc. eingestellt werden.
Diese Feststellung hat auch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) getroffen und entsprechende Informationen auf Ihrer Webpage veröffentlicht [7].

Aufgrund dieser Erkenntnisse analysieren wir nicht nur Vanillin und die klassischen Verhältniszahlen, sondern auch weitere Sekundärmetabolite der Vanille. Wir haben hierzu die Analyse von phenolischen Minorkomponenten entwickelt. Vanille weist einen spezifischen Fingerabdruck von Minorkomponenten auf, so dass diese als Authentizitätsmarker für Vanille herangezogen werden.

Literatur:
[1] Grundlagenpapier „Herkunft und Authentizität von Vanillearomen“ der Arbeitsgruppen „Aromastoffe“ und „Stabilisotopenanalytik“ der Lebenmittelchemischen Gesellschaft, Fachgruppe in der GDCh. Lebensmittelchemie, 2010, 64, (2), 43-48, https://www.gdch.de/fileadmin/downloads/Netzwerk_und_Strukturen/Fachgruppen/Lebensmittelchemiker/Arbeitsgruppen/stabilisotopen/vanille.pdf.
[2] Natures Chemical Signatures in Human Olfaction: A Foodborne Perspective for Future Biotechnology. Angew. Chem. Int. Ed., 2014, 53, 7124-7143.
[3] Evaluation of solid-phase microextraction coupled to gas chromatography-mass spectrometry for the headspace analysis of volatile compounds in cocoa products. Talanta, 2008, 74, (5), 1166-1174.
[4] Evaluation of purine alkaloids and diketopiperazines contents in processed cocoa powder. European Food Research and Technology, 2000, 210, (3), 189-195.
[5] Identification of the Key Aroma Compounds in Cocoa Powder Based on Molecular Sensory.
[6] Handbook of Vanilla Science and Technology. Edited by Daphna Havkin-Frenkel, Faith C. Belanger; Wiley-Blackwell 2011.
[7] www.laves.niedersachsen.de/download/97001/Vanille.pdf und auch: www.laves.niedersachsen.de/lebensmittel/authentizitaetsanalyse/laves-ist-echtem-vanillearoma-auf-der-spur-73348.html